Die “Wandering Church” - Symbol für Toleranz und Versöhnung

Die „Wandering Church“ ist ein Symbol Böhmisch-Deutscher Beziehungsgeschichte: Ursprünglich stand auf diesem Platz die Bethlehemskirche, die der preußische König 1737 für Glaubensflüchtlinge errichten ließ, die zu tausenden von Böhmen und Mähren nach Berlin geflüchtet waren. Die Gemeindegeschichte führte zu einer simultanen konfessionellen Ausrichtung (lutherisch, reformiert, brüderisch). So erzählt die Skulptur historisch gesehen von einer Geschichte gegenseitiger Gastfreundschaft beider Nationen, die älter ist als die Wunden, die sich beide Seiten im 20. Jahrhundert zufügten. Sie erzählt allgemein von der Kraft der Integration und Veränderung als Erinnerung an die erste Flüchtlingskirche.

Im Jahr 1945 wurde die Kirche teilweise zerstört. Die DDR-Regierung verzichtete auf einen Wiederaufbau und planierte den Platz, der aufgrund seiner Nähe zum Checkpoint Charlie in die Grenzbefestigungsanlagen einbezogen wurde. Nach dem Fall der Mauer wurden die Gebeine des ersten böhmischen Predigers Jan Liberda sichergestellt, die Fundamente der Kirche ausgegraben und durch eine entsprechende Pflasterung stadtgeschichtlich sichtbar gemacht. Die Installation Juan Garaizabals knüpft genau an diese historischen Fundamentzeichnungen an und stellt die architektonischen Linien der Kirche dar, ohne sie zu rekonstruieren. In das nunmehr dauerhafte Ringfundament wurden die Worte Vaclav Havels „Never hope against hope“ quasi ‚eingraviert’, um daran zu erinnern: Die Kraft der Hoffnung ist stärker als diktatorische Verhältnisse. Sie erzählt schließlich von der Kraft der Hoffnung, die beide Nationen in der Erfahrung der politischen Wende miteinander verbunden hat. Das Kunstwerk ist somit auch als ein Symbol für die Werte christlicher Freiheit zu verstehen, die auch an Orten der Teilung nicht auszutilgen sind, sondern eine gesellschaftlich überwindende Kraft darstellen.

Die „Wandering Church“ ist ein Symbol der Globalisierung christlicher Werte: Die ursprüngliche Bethlehemskirche war ein Ort der Diakonie und Mission. Es ist der Gründungsort des ersten Evangelischen Krankenhauses, der Elisabeth-Klinik in der Lützowstrasse und verschiedener Waisenhäuser. Die Kirche war weiterhin der Sitz von zwei Missionsseminaren. Hier wurden Handwerker für den Missionsdienst ausgebildet und vor allem in den asiatischen Raum ausgesandt. So ist der Platz verbunden bspw. mit der Persönlichkeit Karl Gützlaffs, dem ersten Koreamissionar, der von dem Böhmischen Prediger Johannes Jänicke ausgesandt wurde. Schließlich ist der Platz in der Erinnerung indischer Ureinwohner verankert, da aus der Bethlehemskirche Pfarrer Johannes Gossner und die von ihm begründete Missionsgesellschaft über 150 Missionare nach Nordostindien sandten. Durch ihr Wirken entstand die größte, bereits seit 1919 unabhängige Lutherische Kirche.

Bis heute wird also dieser Platz als Ursprungsort christlicher Werte der Bildung, der Sprach- und Kulturaufzeichnung etc. in Südkorea und in Nordost-Indien gekannt. Die Skulptur wurde mehrfach von Delegationen dieser Länder besucht. Darunter waren nicht nur Vertreter der lokalen Kirchen, sondern bspw. auch der südkoreanische Botschafter und der südkoreanische Minister für Wiedervereinigung. Die Skulptur, die eben nicht die ehemalige Kirche mit ihren Mauern rekonstruiert, symbolisiert in einer offenen Weise die Wanderung und Transformation christlicher Werte der Freiheit über die Mauern kirchlicher Institutionen hinweg in die Gesellschaften. Deshalb ist dieser Ort in Geschichte und Gegenwart international verflochten.

Die „Wandering Church“ ist schließlich auch ein Symbol europäischer Verbindung: Der spanische Künstler Juan Garaizabal, der die Skulptur schuf, gewinnt zunehmend an internationaler Reputation. Werke von Juan Garaizabal sind in Bukarest, Istanbul, Madrid, Chicago und Miami an öffentlichen Orten zu sehen. Mit ihm als künstlerischer Persönlichkeit gewinnt die Skulptur mit ihren verschiedenen lokalhistorischen und globalen Bedeutungen zugleich einen europäischen Rang. Dies zeitigten Besuche mehrerer spanischer Delegationen unter anderem des spanischen Botschafters, der Bürgermeisterin von Madrid.

 
 
 
 

Memoria Urbanas

Die Lichtinstallation in Erinnerung an die Bethlehemskirche sind Teil des Projekts der “Memorias Urbanas” des spanischen Künstlers Juan Garaizabal (*1971 in Madrid), der mit seinen monumentalen Installationen internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung erfährt. Mit den Kunstinstallationen der Memorias Urbanas macht Juan Garaizabal verlorene Bauwerke wieder öffentlich erlebbar. So entstanden neben der Lichtinstallation der Bethlehemskirche in Berlin die “Memoria del Giardino” in Venedig, eine skulpturale Außeninstallation im ältesten Botanischen Garten Europas, und der “Havanas Balcony”, eine monumentale Installation aus Stahl und Licht in Miami mit einem Pendant in Havanna.